Finden Sie ein Kitz, kommt es darauf an, ob am selben Tag oder erst am Tag danach gemäht wird.
Wird die Wiese erst am darauffolgenden Tag gemäht, lassen Sie das Kitz unbedingt liegen!
Die kleinen Kitze haben in den ersten Lebenswochen – zum besseren Schutz vor Feinden – einen "Drückreflex", d. h. bei Gefahr flüchten sie nicht, sie drücken sich noch fester an den Boden und verharren regungslos.
Zu Ihrer Sicherheit werden sie von Ihrer Mutter im hohen Gras versteckt und liegen dort alleine. Die Ricke, also die Rehmutter, kommt drei- bis viermal am Tag vorbei, versorgt ihr Kitz und führt es auch immer mal wieder an neue Plätze.
Ein Kitz, das alleine in einer Wiese liegt, muss also nicht gerettet werden. Entdeckt man mal eines, lässt man es in Ruhe und entfernt sich rasch wieder. Jeder Kontakt bedeutet für das Tier enormen Stress und große Angst. Das gilt es auf jeden Fall zu vermeiden!
Nun können Maßnahmen begonnen werden wie beispielsweise Scheuchen aufstellen.
Anders sieht es aus, wenn man weiß, dass in Kürze die Mähmaschine anrückt. Dann ist Handeln angesagt, denn das Jungtier wird auch vor den großen, lauten Fahrzeugen nicht flüchten. In diesem Fall - und nur in diesem! - ist der Stress, dem man das ängstliche Tier aussetzt, gerechtfertigt. Die Alternative wäre weitaus schlimmer.
Ziehen Sie sich nun ungebrauchte Einweghandschuhe an - es eignen sich auch gebrauchte Gartenhandschuhe, die ohnehin nach Gras und Erde riechen - und reißen ein ordentliches Büschel Gras aus der Wiese. Haben Sie keine Handschuhe, pflücken Sie etwas mehr Gras. Berühren Sie das Tier dabei möglichst wenig, denn Kitze sind dadurch vor Fressfeinden geschützt, dass sie keinen eigenen Geruch haben. Diese Schutzfunktion sollte unbedingt gewahrt bleiben.
Nehmen Sie das Kitz mit den Grasbüscheln vorsichtig auf und tragen es aus der Wiese.
Setzen Sie das Kitz nun in einen Pappkarton oder eine Kiste, die Sie ebenfalls mit Gras ausgelegt haben und abdecken können. Oder „verstecken“ Sie es in einem Gebüsch, das einige Meter von der zu mähenden Wiese entfernt ist und genau so viel Schutz und Deckung bietet wie das hohe Gras der Wiese. Sichern Sie das Tier dort aber unter einer umgedrehten Holzkiste oder einem Wäschekorb. Beschweren Sie die Kiste oder den Korb mit Steinen. So kann das Kitz - sollte es bereits Fluchtinstinkte entwickelt haben - während der kritischen Phase nicht aufstehen und zurück in die Wiese laufen.
(Fotos: Eugen Witlif, Hannover)
Wenn alles vorbei ist, entfernen Sie die Kiste bzw. holen Sie es samt Gras aus dem Karton und setzen es vorsichtig ab. Bald wird das Kleine durch Schreie auf sich aufmerksam machen, sodass die Mutter es ohne Weiteres wieder findet.
Wichtig ist nun, dass es jetzt schnell geht und das Kitz nicht alleine bleibt!
- Melden Sie dem Landwirt, dass er nun mähen kann.
- Die Mahd sollte jetzt nicht verschoben werden!
- Das gesicherte Kitz in der Box sollte nicht in der prallen Sonne stehen.
- Bleiben Sie bei dem Tier bis die Mahd vorbei ist.
- Wichtig: bleiben Sie auch nach dem Freilassen noch an der Wiese bis sich Kitz und Mutter gefunden haben. Halten Sie sich in ausreichend Abstand auf und beobachten Sie das Geschehen mit einem Fernglas. Sind Sie zu nah am Jungtier, wird die Ricke nicht kommen.
- Falls das Kitz auch nach einer Weile noch nicht ruft, können Sie die Mutter mit einem Kitzfiep schon einmal anlocken.
Diese Maßnahme dient dazu sicherzustellen, dass sich Ihre Arbeit auch nachhaltig gelohnt hat und weder Raubwild sich das Kitz holt, noch falsch verstandene Tierliebe dazu führt, dass Spaziergänger die Box finden und das Tier zu früh frei lassen.