Das Ausmähen von Kitzen bei der Wiesen-Mahd berührt verschiedene Rechte.
(Von Adolf Tausch, Kreisjagdberater Vogelsbergkreis und Direktor des Amtsgerichts a. D.)
In das Grundgesetz wurde im Jahre 1994 als Staatsziel im Artikel 20a der „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ (Umweltschutz) eingefügt. Dieser Schutzauftrag wurde im Jahr 2002 um den Tierschutz erweitert.
Verstößt der Mensch gegen Normen des Tierschutzes, so hat dies u. a. strafrechtliche Konsequenzen für den Handelnden. Insoweit legt § 17 des Tierschutzgesetzes fest: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder 2. einem Wirbeltier a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“
Verstöße von geringerem Gewicht werden als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen geahndet (§ 18 TierSchG).
In den letzten Jahren haben verschiedene Gerichte Strafurteile gefällt gegen Landwirte, die Rehkitze ausgemäht haben.
Eine Strafbarkeit gem. § 17 TierSchG ist nur gegeben, wenn bei dem Täter Vorsatz für sein Handeln vorliegt. Unser Recht kennt jedoch auch den „bedingten Vorsatz“, „wenn’s passiert, dann passiert es halt“, der Täter nimmt also die Folgen billigend in Kauf.
Denn heutzutage weiß jeder Landwirt um die Gefahr des Ausmähens von Rehkitzen.
Zahlreich sind die Möglichkeiten der Vorsorge, solches zu verhindern. Ein Nichtstun in diesem Zusammenhang bringt dem Landwirt den Vorwurf des bedingten Vorsatzes ein.
Der Strafausspruch in den abgeurteilten Fällen – jeweils abhängig von der individuellen Schuldzumessung – reicht von „Verwarnung mit Strafvorbehalt und Geldauflage“ bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Beauftragt ein Landwirt einen Erntehelfer (auch Lohnunternehmer genannt), so sollte vertraglich vereinbart werden, wer Vorkehrungen zur Verhinderung von Mahd-Opfern zu treffen hat. Findet sich im Vertrag eine solche Regelung nicht, zeichnet in erster Linie die handelnde Person, also der Erntehelfer, verantwortlich.
Daher empfiehlt es sich für die Beauftragten dringend, vor Beginn der Arbeit ihren Auftraggeber nach zuvor getätigten Maßnahmen zu befragen. Hat keine Schutzmaßnahme stattgefunden, ist die Mahd zu unterlassen. Wird dennoch gemäht und ein Jungtier dabei verletzt oder getötet, trifft die Schuld denjenigen, der die Maschine steuert.
Im § 3 Hessisches Jagdgesetz ist für jedermann festgelegt, dass er, falls er Besitz oder Gewahrsam an lebendem oder verendetem Wild erlangt, dies unverzüglich dem Jagdausübungsberechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle melden muss. Entsprechende Gesetze gibt es für alle Bundesländer.
Gemäß Absatz 2 ist „insbesondere verpflichtet, wer ein Fahrzeug führt und damit Schalenwild verletzt oder getötet hat.“
Diese Anzeigepflicht trifft uneingeschränkt auf den Landwirt zu, der ein Rehkitz ausgemäht hat.
Hintergrund ist, dass auch solches Wild, das auf diese Weise aus der Natur entnommen wird, in der Streckenliste des Jägers und im behördlich festgesetzten Abschuss erfasst wird.
Findet der Landwirt – oder ein Helfer – in der zu mähenden Wiese ein Rehkitz,
wirkt die Anzeigepflicht nicht. Der Finder verbringt das Tier aus dem Gefahrenbereich und legt es im Revier im nahen Bereich an ungefährdeter Stelle wieder ab.
Eine Mitnahme eines Tieres stellt eine strafrechtlich relevante Wilderei dar. Auch ein getötetes Tier darf ein Unberechtigter nicht mitnehmen.
Wird ein verletztes Wild, das dem Jagdrecht unterliegt, zur medizinischen Behandlung zum Tierarzt gebracht, so ist dies unverzüglich dem Jagdausübungsberechtigten bzw. der Polizei anzuzeigen.
Das Ausmähen von Rehkitzen greift in das Jagdrecht – Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten ein.
Ist der Jagdausübungsberechtigte nicht zu erreichen oder weigert er sich, die Suche durch Andere zu erlauben, ergäbe sich für den Landwirt allerdings eine "No-Way-Out"-Situation, die Juristen als "Rechtfertigende Pflichtkollision" bezeichnen: Suchte der Landwirt selbst, betriebe er Jagdwilderei. Täte er nichts, käme er mit dem Tierschutzgesetz in Konflikt.
Da die Mahd von Witterungsbedingungen abhängt und die Flächennutzung gegenüber der Jagd Vorrang hat, wäre es einem Landwirt allerdings auch nicht zuzumuten, einfach nicht zu mähen, sollte der zuständige Jagdpächter gerade nicht greifbar sein oder keine Zustimmung zur Jungwildrettung geben.
Was also tun?
"Im Zweifel dann pro Tierschutz", schreibt Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin in der DJZ 4/2023. "Der Normsinn des § 1 BJagdG (Inhalt des Jagdrechts) ist grob gesagt dergestalt, dem Jagdpächter die Entscheidungsgewalt über das 'Wie' der Hege des Wildes alleine zu überlassen. Der sinnlos qualvollen Tötung eines Wildtieres darf der Jäger aber dennoch nicht gleichgültig zusehen. Der Jäger steht in jedem Falle zugleich in der Hegepflicht nach § 1 Abs. 1 S. 2 BJagdG.
Wenn der Landwirt vor der Mahd Kitze sucht, handelt er insoweit (ebenso) im Interesse des Jagdpächters. Auch wenn der Jagdpächter nicht selbst suchen kann, muss er dem Landwirt die Suche zumindest erlauben. Alles andere würde rein praktisch zu unzumutbaren Ergebnissen führen."
Weitere Informationen finden Sie auf der Seite von agrarheute.de.
Für freiwillige Helfer ohne Jagdschein gilt folgende Gesetzgebung
Tierschutz
Aus Tierschutzgründen ist es seitens des Landwirts erforderlich, vor der Mahd durch entsprechende Maßnahmen zu gewährleisten, dass keine Rehkitze durch die Mähmesser verletzt oder getötet werden. Das Unterlassen dieser Vorsorge kann eine Straftat nach § 17 Tierschutzgesetz darstellen.
Jagdrecht
Nach § 1 Abs. 4 BJagdG handelt es sich bei der Rehkitzrettung aber gleichzeitig um „Jagdausübung“ in Form des Aufsuchens und Fangens von Wild. Damit handelt es sich um ein ausschließliches Recht des Jagdausübungsberechtigten. Eine Handlung ohne dessen Zustimmung kann den Tatbestand der Jagdwilderei erfüllen.
Naturschutzrecht
Das Jedermann Recht nach § 45 Abs. 5 BNatSchG, hilflose Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen, gilt zudem ausdrücklich nur vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften, also nicht für Wild. Die Rehkitzrettung bedarf also zumindest einer Erlaubnis des Revierinhabers.
Jagdausübung
Ferner bedarf es bei der Jagdausübung eines Jagdscheins, wobei es bei der Rehkitzrettung genügt, wenn der zuständige Pächter einen Jagdschein besitzt und andere Personen lediglich Hilfe leisten. Denn es steht dem Jagsausübungsberechtigten frei, welcher Art der Hilfe er sich zur Jungwildrettung bedient - das kann eine Drohne, aber auch ein Rettungs-Team aus Freiwilligen ohne Jagdschein sein.
Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz weitet den Handlungsspielraum auf den Landwirt aus und "ist der Auffassung, dass das Aufnehmen und Verbringen von Rehkitzen durch Dritte, die nicht jagdausübungsberechtigt oder der Landwirt sind, im Regelfall nicht nach § 292 Strafgesetzbuch wegen Jagdwilderei strafbar ist. Handelt der Dritte mit Einwilligung des Jagdausübungsberechtigten [...], ist das Handeln nicht strafbar, denn die ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung des Jagdausübungsberechtigten schließt die Strafbarkeit aus.
Ebenso wie sich der Landwirt, der Kitze vor dem Vermähen durch Aufnehmen und Verbringen in Sicherheit bringt, nicht wegen Jagdwilderei strafbar macht (strafunrechtsausschließende Pflichtenkollision), ist auch bei dessen Helfern, die seine Pflichten für ihn erfüllen, von der Straflosigkeit auszugehen. Die genannten Dritten sollten, um strafrechtliche Risiken auszuschließen, daher die Sucheneinsätze in Absprache mit dem Jagausübungsberechtigten [...] ausüben."
Denken Sie immer daran, dass etwas schief gehen kann! Auch deshalb sollte - neben der Jagdausübung - der zuständige Jäger unbedingt vor Ort sein.
Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche unter 16 bedürfen einer Aufsichtsperson und dürfen nur vorbehaltlich ausdrücklicher Zustimmung des Jagdausübungsberechtigten am Einsatz beteiligt sein.
Vereine haben die Möglichkeit, extra Versicherungen für Kitzretter abzuschließen.
Gehört man keinem Verein an, so gilt die Hilfe bei der Kitzrettung als freiwillige Freizeitgestaltung auf Basis eigener Verantwortung. Sollten Sie ein eigenes Team aufstellen, sollten Ihre Helfer darüber Bescheid wissen, dass sie auf eigenes Risiko handeln.
Rechtliche Grundlage im Notfall
Ein verwaistes Kitz, dessen Mutter Opfer eines Verkehrsunfalls geworden ist, das Opfer eines "spielenden" Hundes oder der äußerst seltene Fall, dass eine Mähverletzung so leicht ist, dass sie behandelt werden kann, erfordert schnellstmögliches Handeln, um dem Jungwild Leid zu ersparen.
Folgende rechtliche Grundlage müssen Sie dazu kennen.
Ist ein Rehkitz in großer Not greift das Tierschutzgesetz, das Menschen dazu verpflichtet, ihren Mitgeschöpfen zu helfen. Ist erste Hilfe geleistet, wird umgehend der zuständige Jäger informiert.
Achtung! Ein Kitz, das lediglich alleine ist - auch über mehrere Stunden - ist in der Regel nicht in Not! Dass die Ricke sich nur 3-4 mal täglich ihrem Nachwuchs nähert, um ihn zu säugen, dient dessen Sicherheit, denn anders als das Kitz hinterlässt ein ausgewachsenes Reh Geruch, der von Fressfeinden verfolgt wird.
Hunde und Wild
Leinenpflicht, besonders zur Brut- und Setzzeit zwischen April und Juli, gilt nicht in allen Bundesländern, obwohl in dieser Zeit Jungwild zur Welt kommt, das nicht bis kaum flüchten kann. Allerdings greifen andere Gesetze, die Hundehalter unbedingt kennen sollten.
Es ist hinlänglich bekannt, dass Landwirte geeignete Maßnahmen zu ergreifen haben, um Jungwild bei der Mahd weder zu verletzen, noch zu töten. Welche Maßnahmen das sind, ist nicht vorgeschrieben. Das ist auch nicht notwendig, denn die geltenden Gesetze reichen aus, um Wild ausreichend zu schützen. Diese gilt es kompromisslos zu beachten. Die Verantwortung trägt dabei derjenige, der eine Maschine führt.
Wichtig: Genau das selbe gilt auch für diejenigen, die Hunde führen! Denn das Gesetz macht zwischen Mähbalken und Hund keinen Unterschied.
Um sich nicht strafbar zu machen, sind demnach folgende Gesetze zu beherzigen:
§ 1 TierSchG:
"Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen."
§ 17 TierSchG:
"Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer [...] ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder [...] erhebliche Schmerzen oder Leiden oder [...] länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt."
Nach § 39 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu verletzen oder zu töten.
§ 292 StGB beschreibt zudem den Tatbestand der Wilderei. Dieser kann ggf. greifen, wenn ein Hund ein Wildtier verletzt oder tötet.
"Als wildernd gelten Hunde, die im Jagdbezirk außerhalb der Einwirkung [z. B. einer Leine] ihrer Führerin oder ihres Führers Wild töten oder erkennbar hetzen und in der Lage sind, das Wild zu beißen oder zu reißen."
(Text: NABU)
§ 123 StGB - Hausfriedensbruch.
Das Betretungsrecht des Waldes nach § 33 des Forstgesetzes aus dem Jahr 1975 darf nicht mit dem vermeintlichen Recht verwechselt werden, sich überall in der Natur aufhalten zu dürfen. Landwirtschaftliche Flächen sind Eigentum der Landwirte und genauso zu respektieren wie eingezäunte Gärten. Das Betretungsrecht gilt hier nicht!
Werden Wildtiere verletzt oder gar getötet, ergibt sich in jedem Fall eine Schadenersatzpflicht für den Besitzer des Hundes gegenüber dem Jagdpächter.
(Quelle: Kanzlei,Mühlenbein und Kollegen)
Kurz: Besteht die Möglichkeit, dass ein Hund unangeleint in Wiesen läuft und sich nicht abrufen lässt, sitzen dem Hundehalter also 5 Paragraphen im Nacken und riskiert er, sich im Schadensfall strafbar zu machen. Neben dem Leid, das verursacht werden kann, wenn der Vierbeiner außer Sicht seines Besitzers im hohen Gras verschwindet, sollte es das keinem Gassigänger wert sein.
Einsatz von Unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs)
Der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge, wie Drohnen in der Fachsprache bezeichnet werden, unterliegt ebenfalls gesetzlichen Vorschriften, mit denen Sie sich unbedingt vertraut machen sollten.
Presseartikel zum Thema
- Messerscharf angesprochen - mehr Urteile erwartet
- Kitztötung - zwei juristische Blickwinkel
- 05.12.2013 - Kitze totgemäht: Ein Jahr Knast auf Bewährung (Bewährung und 4.000 €)
- 15.12.2013 - Kitze totgemäht: Ein Jahr Knast auf Bewährung (5.000 €)
- 20.05.2017 -Bilder, die wir nicht sehen wollen.
- 02.07.2018 - Geldbuße für totes Kitz (1.000 €)
- 17.06.2022 - Rehkitze getötet: Landwirt zu 10.000 Euro Geldstrafe verurteilt (10.000 €)
- 04.05.2023 - Rehkitze in Laudenbach totgeschlagen? (4.500 - 10.000 €)
- Urteil zum Vorfall vom 04.05.2023 (SZ) / (Top Agrar)
- 22.08.2023 - Urteil: Landwirt muss diese Geldstrafe für Mähtod zweier Kitze zahlen